Tagebuch Sommer 2017

Tagebuch Sommer 2017

2. November

Wie in einem Husch glitten Sommer und Herbst vorüber...die Uhren sind auf Winterzeit umgestellt, und ich muss jetzt das Sommertagebuch schließen. Es ist mehr geschehen, als ich erzählen konnte. Aber nicht so große eindeutige Geschichten, sondern immer im Kleinen, im vielfach Verästelten, zwischen Erinnerungen und Gegenwart sich spreizend, hier anstoßend, dort sich festhakend; manchmal herausfordernd.

Die Schwierigkeit bestand darin, das Private von dem öffentlich Erzählbaren zu trennen. Da immer alles mit Allem zusammenhängt, vermochte ich nicht sofort zu unterscheiden, was ich öffentlich sagen darf und will, was nicht. Die Texte mussten einige Tage und Nächte lang immer wieder ruhen. Mussten aufgehen wie ein Hefeteig, wollte nicht dabei gestört werden.

Immerhin habe ich so den Roman "Die Hauptstadt" von Robert Menasse besprochen. Das Ergebnis erscheint in einer Woche im Luxemburger "tageblatt", in der Kulturbeilage "kulturissimo".

Ein Tagebuch aber fordert Spontaneität.

Ich fragte mich öfter, warum mir die immer mehr abgeht? Vielleicht deswegen, weil sich die Zeiten deutlicher ändern, d.h. dass die herrschenden Meinungen sich immer weiter von meinen eignen Erfahrungen und Erkenntnissen entfernen, und ich darum auch meine eigne Darstellung der Welt hinterfragen muss, wenn ich möchte, dass sie von Lesern verstanden wird?

Beispielsweise wünschte ich mir, dass ein Parteiprogramm von kundigen, erfahrenen, am Gemeinwohl orientierten Menschen verfasst werde; über den so entstandenen Entwurf könnte man diskutieren. Aber ohne solche Entwürfe, nur mit unentwegter Einholung von "Meinungen" - meistens Genörgel oder Forderungen, bei denen es dem Betreffenden um seinen eignen Vorteil geht  - entsteht nichts. Oder nur Schaum, der keinem wehtut, aber nichts bewirkt. So dass schließlich den Opportunisten das Feld überlassen bleibt. Ich hatte als Beispiel für meinen frommen Wunsch das Gtundgesetz genannt. (Das ja sicher nicht von allen Mitgliedern des deutschen Volkes verfasst worden ist). Am nächsten Tag machte mir das Kopfschmerzen. Solch ein Text von Experten wär doch autoritär, warnte ich mich; er gehe alle an und müsste mit Hilfe von allen, die wollen, entstehen! So jedenfalls lautet die herrschende Meinung, jedenfalls in der SPD, und das geht Hand in Hand mit der derzeitigen Vorstellung von "Demokratie". Man behauptet, dadurch würde das "Vertrauen wieder hergestellt werden können".

Kundige, erfahrene, am Gemeinwohl orientierte Menschen gibt es immer noch; viele waren sie nie. Sie gelten nur nichts mehr (was sich in der Zahl der Wähler niederschlägt). In meinen jungen Jahren fügten sich auch die Opportunisten dieser Vorstellung von Ehrenhaftigkeit. Heute heißt die Zielvorstellung "Profit", und die Opportunisten stellen sich gern darauf ein. Die ihnen dafür zuteil werdende Anerkennung ist ihre Form von "Ehre".

Wenn sich aber unter "gebildeten, ehrllichen Leuten" heute niemand mehr was Ordentliches vorstellen kann, muss ich neue Wörter finden. Bei mir heißen sie momentan: "kundige, erfahrene, am Gemeinwohl orientierte" Menschen. Wobei ich nicht sicher bin, dass sich viele Menschen dasselbe unter "Gemeinwohl" vorstellen wie ich. Dieses Risiko gehe ich ein .....

So, nun bin ich doch noch spontan geworden. Das ging aber nur, weil ich schon viele Stunden über die "Erneuerung der SPD" nachgedacht habe, teilweise diskutierend, teilweise schreibend.... Das wird weiter gehen.

 

 

Frankfurt, den 12. September 2017

Wieder liegt es an der Vielzahl von Erlebnissen, dass ich nicht zum Schreiben gekommen bin. Zum Beispiel war mein Enkel (29) hier, der nicht im Lande wohnt, und gemeinsam haben wir - mit dem Auto! - eine Reise durch halb Deutschland gemacht, von einem Onkel zum  andern (meine Brüder). Wir sind in vier Tagen über 1200 km gefahren, dann musste er schon wieder heimreisen. Es war himmlisch. Als er fort war, brauchte ich ein paar Tage, um mich selbst wieder einzuleben.

Oder: es wurde die neue Evangelische Akademie in Frankfurt eröffnet, neue Säle, sogar ein Aufzug (vorher gelangte man zu den Stockwerken nur über eine enge steile Treppe), und durch die Glaswände diese unvergleichliche Aussicht hinab auf Frankfurts Innenstadt. Ich werde gewiss noch oft dorthin gehen, doch bei der Einweihung verließ ich die Feierlichkeiten, um rechtzeitig in der "Judengasse" bei der Erinnerung an den "Börneplatzkonflikt" präsent zu sein. Beim "Börneplatzkonflikt" handelt es sich um die hitzigen Tage im August 1986, als beim Ausschachten für den Verwaltungsbau der Stadtwerke die Fundamente von Häusern aus der historischen "Judengasse" ans Tagelicht kamen und große Proteste auslösten. Diese Proteste waren Gegenstand der Reden während des ganzen Nachmittags.

Seit dem 15. Jahrhundert von außen, d.h. von christlicher Seite, kontrolliert und abgeschlossen, war diese Gasse der Wohnort für die in in Frankfurt ansässigen Juden. Ursprünglich hatten sich die Juden rund um den Dom niedergelassen, wurden dann aber im 13. Jahrhundert in diese neu geplante Gasse außerhalb der Stadtmauer - und an sie angelehnt - umgesiedelt. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Wohnverhältnisse enger und enger; bis zur französischen Revolution - bis zum Einmarsch der französischen Truppen in Frankfurt 1806 - bestand eine außerordentliche Enge in diesem Ghetto. Nach seiner Öffnung zogen die meisten Juden weg, nur die ganz Armen blieben, und es entstand ein Slum. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden deshalb alle noch stehenden Häuser abgerissen (außer den Synagogen) und der Grund der Stadt überlassen.

Obwohl also das Vorhandensein dieser Fundamente bekannt war, wirkte ihr Anblick auf viele junge Leute wie ein Schock. Es sammelten sich Juden und Nichtjuden in einem gemeinsamen Prostest gegen die Absicht des Bauherrn, diese Fundamente zu entsorgen oder einfach zu überbauen. Eine Woche lang besetzten sie die Baustelle, schliefen dort sogar und warben lauthals für Gedenken und Erinnerung.

Bei der Veranstaltung, der ich  beiwohnte, wurde (mir) deutlich, dass Juden und Nichtjuden verschiedenen Motivationen folgten: die einen besannen sich auf ihre Geschichte, auf die Geschichte der Frankfurter Juden seit dem Mittelalter; die anderen fühlten sich an die Vernichtungskampagnen der Nazis erinnert und wollten eine neuerliche Vernichtung nicht zulassen. Ergebnis dieser Proteste (und ohne sie nicht denkbar) war das jetzt vorhandene "Museum Judengasse", als Dependance des Frankfurt Jüdischen Museums. Die Fundamente von fünf Häusern wurden nach Beendigung des Neubaus dort wieder eingesetzt, wo sie sich vorher befunden hatten; eine Mikwe (rituelles Tauchbad) gehörte dazu. Um diese Überreste hat sich das Museum Judengasse etabliert, und lohnt immer einen Besuch. Obendrein liegt es direkt neben dem Alten jüdischen Friedhof, der, wenn auch teilweise zerstört, als Ganzes die Nazizeit überlebt hat. Auf der anderen, der Straßenseite, zeigen Messinglinien, eingelassen in den Boden, die Richtung und die Breite der einstigen Gasse an, die heute großenteils von der Kurt-Schumacher-Straße überbaut ist und - noch sichtbar - an der Konstablerwache mündete.

Das Fritz-Bauer-Institut nun ließ die Ereignisse von jungen Historikern beschreiben, und brachte sie so in die offizielle Geschichtsschreibung ein. Es kamen aber auch Zeitzeugen zu Wort, jene, die 1986 dabei gewesen und die Auseinandersetzungen mit Polizei und Obrigkeiten mit erlebt hatten. Auch wurde immer wieder dazu aufgerufen, dass man Bilder von damals oder andere entsprechende Gegenstände dem Museum überlassen möge, das seine Materialbasis damit erweiterte. Welch ein Erlebenis, Micha Brumlik und Eva Demski aus ihren Einnerungen erzählen zu hören! Beide waren bei den Protesten führend gewesen.

Als ich mich von diesen Aufregungen etwas erholt hatte, kam Schulz. Martin Schulz. Der SPD-Kandidat trat auf dem Römerplatz auf. Der war etwa zu drei Vierteln voll, Schulz sprach länger als eine Stunde, die Sonne brannte. Ich hörte zu, ich beobachtete die Reaktionen - es war nicht sehr aufregend. Als die Frankfurter Jusos, einige Zeit später,  zu einem "Public Viewing" des Rededuells  zwischen den beiden Kanzler-Kandidaten im Fernsehen einluden, ging ich hin. Hier hörte ich konzentriert zu. Die Frage, mit der ich kam, lautete: kann Schulz mit der oft grobschlächtigen bundesdeutschen Umgebung umgehen, nachdem er in Europa gelernt hatte, sich auf diplomatischen Parkett zu behaupten? Nun, er konnte. Im Gespräch mit Angela Merkel bewies er obendrein, und beide bewiesen es, dass ein zivilisierter Dialog auch in der deutschen Öffentlichkeit möglich ist. Es gab Übereinstimmungen - in der Ablehnung der Rechtsextremen etwa - wer möchte ihnen das vorwerfen? - aber bei den meisten Themen legte jede Seite ihr durchaus nicht einhelligen Standpunkte dar. Schulz erwies sich als kompetent auf allen Feldern, und am Ende zeigte er mehr physisches Durchhaltevermögen bei diesem 97minütigen Redemarathon als seine Gegnerin.

Seitdem bin ich überzeugt, dass Schulz der bessere Kanzler wäre. Er würde die sozialen Fragen stärken. Er  hätte viel bessere Beziehungen zu den europäischen Nachbarn, weil er sie kennt. Er könnte gegenüber den Unverschämtheiten des Erdogan neue Töne anschlagen, ohne doch die Beziehungen zur Türkei abzubrechen. ("Die EU-Beitrittsverhandlungen sollen abgebrochen werden", forderte er - als den deutschen Standpunkt innerhalb des EU-Rates, während Merkel nicht sagte, was genau sie NICHT abbrechen will, obwohl sie, wie sie sagte, immer gegen den türkischen EU-Beitritt war). Über Umweltschutz sagte Schulz nichts, weil die teilweise inkompetenten oder von der Wirschaft bezahlten Journalisten keine entsprechende Frage stellten. (Im Wahlprogramm steht aber was dazu.) Über die Notwendigkeiten der Bildung konnte er aus dem selben Grund auch nur kurz was sagen. Ohne dass die Journalisten das angestrebt hätten, entstand tatsächlich ein Gespräch zwischen den beiden Kontrahenten selber. Im Zeitalter der wüsten Bechimpfungen ein Gewinn!

Was bei einer Koalition zwischen CDU und FDP entsteht, sehen wir jetzt schon in Nordrhein-Westfalen, die dortige Regierung will bei öffentlichen Aufträgen (fast) keine ökologischen und  sozialen Bedingungen mehr stellen. Also Trump-mäßig alle Fortschritte der letzten Jahre auf diesem Gebiet abschaffen.

So, das wärs für heute. Bis bald!

Wie gesagt: SPD und Schulz wählen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frankfurt, den 12. August

  

In dem Philosophie-Zirkel, dessen Mitglied ich bin, befassen wir uns zur Zeit mit Adornos „Minima Moralia“.  In mehr als hundertfünfzig kurzen Essays legt Adorno seine Weltsicht dar. Es ist einerseits ein Blick auf die Gegenwart (und die befand sich 1944 für ihn in den USA), andererseits eine Auseinandersetzung mit den Grundpfeilern deutscher Bildung: mit Kant, Hegel, Schiller, Goethe etc., mit der philosophischen Richtung, die man „Idealismus“ nennt. Heute, d.h. im Jahr 2017, läuft das eher unter „Ideologien“. Wenn sich die „Ideen“ seit Adorno in „Ideologien“ verwandelt haben, so hat er durchaus Anteil daran. Bildung bestand im wesentlichen darin, das „Allgemeingültige“ zu lehren und zu lernen, wie Kant in einem "Imperativ"  forderte: Handle so, dass der Maßstab deines Handelns die Grundlage für eine allgemeine Gesetzgebung sein könnte.  Es muss für alle gelten, es muss objektiv sein. Adorno aber will auch dem Subjektiven einen  Platz einräumen. Darum geht es in „Minima Moralia“. Die Mindestmoral. Das Buch erschien in Deutschland 1951, also kurz nach dem Untergang des Naziregimes, dem schlechthinnigen Unrechtssystem, das vor allem auf Allgemeinregeln fußte.

Wir haben uns in unserm Zirkel besonders dem Essay Nr. 54 zugewendet, er heißt „Die Räuber“.  Das ist der Titel von Schillers erstem Theaterstück, das zu seiner Zeit große Unruhe weckte, weil es die Subjekte, die von der Räuberei lebten, als gleichwertige Menschen darstellte.  Der erste Satz von Adorno beginnt mit „Der Kantianer Schiller....“ , was also voraussetzt, dass man Kant kennt und Schillers Beziehung zu ihm. Der Satz geht weiter mit „... ist ebensoviel unsinnlicher wie sinnlicher als Goethe; umso abstrakter wie der Sexualität verfallener.“ Goethe muss man also auch gut kennen – was haben aber beide mit „Sexualität“ zu tun? Vielleicht  bedenke man, um besser zu verstehen, dass zu Adoros Zeit Schiller in der öffentlichen (Be)Achtung viel höher rangierte als Goethe.  Weiter heißt es: „Diese" -also die Sexualität -, "als unmittelbares Begehren, macht alles zum Aktionsobjekt und damit gleich.“ Adornos Definition von Sexualität. Er nennt einige Figuren aus der Literatur – von Schiller, Casanova, de Sade – und fährt fort: „Etwas von solcher sexuellen Rohheit, der Unfähigkeit zu unterscheiden, lebt aber in den großen spekulativen Systemen des Idealismus, allen Imperativen zum Trotz, und kettet deutschen Geist und deutsche Barbarei aneinander. Bauerngier, nur mühsam von der Pfaffendrohung in Schach gehalten, verficht als Autonomie in der Metaphysik ihr Recht, alles Begegnende  auf sein Wesen so umstandslos zu reduzieren wie Landsknechte die Frauen  der eroberten Stadt.“

Uff, das muss man wohl mehrmals lesen.

Ich war nach der ersten Lektüre sehr erbost über die Reduzierung der Frauen auf „ein Objekt“, ich fühlte mich angegriffen, nicht wahrgenommen, es entstand unter meinen Augen ein reiner Männerstandpunkt, der mich und meinesgleichen ausschloss. „Nur weil Tasso ..... vor der Prinzessin sich fürchtet und als zivilisiertes Opfer der Unmöglichkeit des Unmittelbaren, fällt, sprechen“ (der Autor nennt einige Frauenfiguren aus Goethes Werken) „die angeschaute, unbedrängte Sprache, die zum Gleichnis von Urgeschichte sie macht.“ 

Mein Zorn wuchs. Wie die Frauen in die Tiefen der archaischen Vergangenheit abgeschoben wurden! Tasso ist ein Bürgerlicher, und Prinzessinnen bleiben deshalb für ihn unerreichbar.  Darunter leidet er; stellvertretend (Goethe hat die meiste Zeit seines Lebens als Höfling unter Adeligen gelebt) gewährt er seinen Frauenfiguren die Sprache, die er sich selber wünscht. Meint Adorno. Er treibt die Vergleiche aber noch weiter: Er bezeichnet Don Juan als das „Symbol der Einheit des Sinnlichen und  Abstrakten“! Und Adorno geht bis zum Höhepunkt: eine Form des männlichen Orgasmus führt einen Moment lang zu einer unbewussten Erstarrung und eben diese, so Adorno, repräsentiert das  „Anonyme, unglücklich Allgemeine , das in ihrem Negativ der schaltenden Souveränität des Gedankens, verhängnisvoll sich reproduziert.“ Sprich: zur Ideologie der Nazis geführt hat.

Ich brauchte eine Woche mit Gesprächen und mit Nachdenken, um mich von dem Gefühl der Bedrohung zu befreien. Mir dämmerte, dass Adorno von den Männern spricht, von IHREM Dilemma zwischen Begehren und Verbot.  Welches dazu führt, dass sie Frauen einfachheitshalber oft als Objekt betrachten, oder, als Homosexueller, überhaupt nicht. Und dass sie schon immer so empfunden haben, auch Kant und Schiller und  Kierkegaard. Als Mädchen lernt man das nicht.  Je mehr ich lernte, desto weniger hätte ich mir das vorstellen können. Ich habs mir dann als Machtkampf erklärt.

In dieser Nummer 54, nur eine Seite lang im Suhrkamp-Taschenbuch, entwirft er anhand von Namensnennungen und kurzen Hinweisen – nicht einmal Zitaten! -  auf Philosophie und Literatur eine Art metaphysischen Pornotext. Anscheinend haben viele Männer das Ende der 50er, Anfang der 60er, auch so verstanden, und nun begreife ich die maßlose Begeisterung, die dem Professor entgegenschlug. Die Männer konnten bequem die Frauen als „Nebenwiderspruch“ abtun. Es ging um sie, um ihre Ganzheit, um ihre sexuelle Befreiung.  Finde dein subjektives Gleichgewicht zwischen „Drang zum Objekt“ und der „gewaltlosen Betrachtung, von der alles Glück der Wahrheit kommt“. Sozusagen: der Zustand vor und nach dem Orgasmus.

Adorno verknüpft alte Antworten zu neuen Fragen, und diese sind auch 2017 noch nicht überholt. Jetzt, wo ich meine Angst überwunden habe, lese ich mit Staunen und Gewinn in den übrigen Nummern dieses Büchleins.

Frankfurt, 3. August

Hinweis: Am 22. August, 18 Uhr, beginnt mein Feldenkrais-Kurs, den ich wieder für die VHS im Sachsenhäuser Riedhofsaal gebe. Näheres hier auf meiner Webseite unter "Tun/Feldenkrais"!

 

Geschichte und Gedenken

 Im Jahr 2010 rief das Frankfurter Jüdische Museum zu seinem 20jährigen Jubiläum alle Freunde auf, ihm eine Geschichte zu schenken, d.h. für eine Ausstellung einen Gegenstand zu leihen, der „ein gewisses jüdisches Etwas“ ausstrahlte und dem jeder Leihgeber die dazugehörige Geschichte beifügen sollte. Ich bot ein über hundertjähriges Buch mit der „Geschichte der deutschen Juden“ an, und es wurde genommen. Doch als ich es später in der Ausstellung suchte, lag es im hintersten Winkel des oberen Stockwerks so tief, dass man sich bücken musste, um es zu sehen. Alle übrigen Gegenstände bezogen sich irgendwie auf die Shoah. Ich hatte den Eindruck: die tausendjährige Geschichte der Juden in Deutschland interessierte die Ausstellungsmacher nicht. Als wäre sie durch die Shoah ausgelöscht. Stand sie aber nicht im Gegenteil an ihrem Ursprung? War sie nicht eine Folge eines aus der Geschichte her überbordenden Antisemitismus? Muss darum diese Geschichte nicht neu betrachtet werden?

Es gab zu  der Ausstellung „Geschenkte Geschichten“  einen schönen Katalog, für den jeder Leihgeber sorgfältig fotografiert wurde und wo der beigefügte Text auf der gegenüberliegenden Seite zu lesen war.  Damals hatte ich geschrieben:

<„Geschichte der deutschen Juden, ein Hausbuch für die jüdische Familie“. Von Dr. Adolph Kohut, illustriert von Th. Kutschmann.  Berlin: Deutscher Verlag. Zahlreiche Abbildungen. Personen- und Ortsregister.  Einleitung datiert mit „Berlin, im August 1898“.

Inhalt: I. Von der ersten Einwanderung der Juden nach Deutschland bis zu den Kreuzzügen (1096); II. Von den Kreuzzügen bis zur Reformation; III. Von 1517 bis zum Auftreten des Moses Mendelssohn und seines Kreises; IV. Von Moses Mendelssohn bis auf die Gegenwart (1870/71).“

 

Meine jüdische Freundin Hanne Kaufmann zog mal wieder um.  Sie betrachtete ihre viel zu vielen Sachen und fragte: „Was willst Du haben?“ Sie schenkte gern.  Ich wählte „Die Geschichte der deutschen Juden“  von Dr. Adolph Kohut, ein kostbar gebundenes dickes Buch, bunt, mit Gold geschmückt, aber durch Wasser beschädigt. Ich ließ es beim Buchbinder reparieren.

Hanne Kaufmann, Schriftstellerin, geboren in Frankfurt, lebte von 1926 bis 1997 und starb in Dänemark.  Auch wenn sie sich irgendwann evangelisch taufen ließ, verstand sie sich immer als Jüdin. Wir begegneten uns vor über dreißig Jahren und wurden Freundinnen. Dieses Buch ist für mich ein Teil unserer Freundschaft.

 

Ich bin keine Jüdin. Eine Zeitlang habe ich herauszufinden versucht, was „Jude“ bedeutet, wie der Begriff definiert wird.  Ich kam schließlich zu der gleichen Ansicht, die  Moshe Zimmermann in seinem neuesten Buch „Deutsche gegen Deutsche“ so ausspricht: „Derjenige, der sich als Jude bezeichnet, gehört zu dieser Gruppe, die sich jüdisch nennt.“ Es bleibt mir auch nach langem Studium etwas Geheimnisvolles daran.

Zum ersten Mal las ich bei Kohut (1848 -1917) deutsche Geschichte zusammenhängend aus dem Blickwinkel der jüdischen Überlieferung. Daraus ergaben sich viele neue Bewertungen.  Auch dieser andere Blickwinkel macht mir das Buch interessant.  Vielleicht liegt gerade darin ein Geheimnis, das so viel nichtjüdische Deutsche ängstigt und das sie deshalb nicht anzutasten wagen: die Möglichkeit des anderen Blicks.>

 

Diesen Text las ich mir kürzlich  wieder durch,  nachdem ich eine Podiumsdiskussion zwischen Michel Friedman und dem deutschen Justizminister Heiko Maas in Frankfurt besucht hatte.  Darüber will ich aber an dieser Stelle nicht reden, sondern über den Empfang, der mir  beim Eintreten in den Vorraum der Veranstaltung zuteil wurde. Die Frau, die meine Anmeldung in der Liste abhakte, sagte freundlich: „Ich kenne Sie!“ Auf mein erstauntes Fragen hin verwies sie auf die Ausstellung  „Geschenkte Geschichten“, die sie selbst kuratiert habe. Ich brauchte einen Moment, bevor mir die Sache wieder ins Gedächtnis kam.  Danach gab es noch viel Zeit bis zum Beginn, denn  der Minister hatte Verspätung. Mit einem Glas stellte ich mich an einen Stehtisch zu einer anderen Dame. Diese strahlte mich an: sie kenne mich aus dem Katalog der Ausstellung über das gewisse jüdische Etwas wieder! Es sei ein so schönes Buch, und sie verschenke es oft.

Dieses Wiedererkennen verwirrte mich gewaltig. Zuhause griff ich  darum als erstes nach dem Katalog. Ja, ich konnte noch immer zu den Worten stehen, die mir damals eingefallen waren.

Die jüdische Geschichte in Deutschland ist auch deutsche Geschichte.  Allen Bemühungen der Abgrenzung zum Trotz kann man die Geschichte der beiden Seiten nicht völlig auseinanderhalten.  So waren die Damenmoden in der Judengasse immer auch von der Mode außerhalb  beeinflusst, und jüdische Ärzte waren bei den christlichen Herren gern gesehen. Im Jesuitenorden befanden sich von Beginn an  ehemalige Juden. Goethe wie Schopenhauer befassten sich mit Spinoza, Thomas von Aquin mit Maimonides.

Dies bedeutet nicht, dass die Shoah in den Hintergrund treten darf. Die Shoah war ein Verbrechen, sie bleibt ein Verbrechen, es muss daran ständig erinnert werden. Geschichte und Gedenken sind zweierlei, doch sie stehen nebeneinander, und beide zusammen erst schaffen der Gegenwart einen Raum, einen Raum zum Atmen, eine Freiheit.

Frankfurt, 27. Juli

Gestern las ich mit einer portugiesischen Freundin den Anfang von Goethes "Dichtung und Wahrheit". Meine Freundin, ich nenne sie Maria, deren Kindheit in die Zeit des Diktators Salazar fiel, durfte nur sechs Jahre zur Schule gehen. Ihr Portugiesisch ist dennoch sehr vielseitig; aber am Deutschen hapert es immer wieder, obwohl sie nun schon viele Jahre hier lebt. Sie kommt zurecht. Gleichzeitig liebt sie es, wenn wir miteinander lesen, und für Goethe empfindet sie ohnehin schon Bewunderung. Das Goethehaus besuchte sie vor langer Zeit.

Für mich war die Lektüre gestern wieder voller Überraschungen. Das langsame Lesen, bei dem jedes Wort sein Gewicht erhält, wo mancher Ausdruck, manche Melodie des Satzes erst herausgearbeitet werden müssen, führt dazu, dass ich neue Perspektiven entdecke, über die ich beim schnellen Lesen hinweggesehen hatte.

So auch beim folgenden Absatz, den ich aus "Gutenberg" kopiere:

Aus  Goethes „Dichtung und Wahrheit“, 1. Buch

"Die Hinterseite des Hauses hatte, besonders aus dem oberen Stock, eine sehr angenehme Aussicht über eine beinah unabsehbare Fläche von Nachbarsgärten, die sich bis an die Stadtmauern verbreiteten. Leider aber war, bei Verwandlung der sonst hier befindlichen Gemeindeplätze in Hausgärten, unser Haus und noch einige andere, die gegen die Straßenecke zu lagen, sehr verkürzt worden, indem die Häuser vom Roßmarkt her weitläufige Hintergebäude und große Gärten sich zueigneten, wir aber uns durch eine ziemlich hohe Mauer unsres Hofes von diesen so nah gelegenen Paradiesen ausgeschlossen sahen.

Im zweiten Stock befand sich ein Zimmer, welches man das Gartenzimmer nannte, weil man sich daselbst durch wenige Gewächse vor dem Fenster den Mangel eines Gartens zu ersetzen gesucht hatte. Dort war, wie ich heranwuchs, mein liebster, zwar nicht trauriger, aber doch sehnsüchtiger Aufenthalt. Über jene Gärten hinaus, über Stadtmauern und Wälle sah man in eine schöne fruchtbare Ebene: es ist die, welche sich nach Höchst hinzieht. Dort lernte ich Sommerszeit gewöhnlich meine Lektionen, wartete die Gewitter ab und konnte mich an der untergehenden Sonne, gegen welche die Fenster gerade gerichtet waren, nicht satt genug sehen. Da ich aber zu gleicher Zeit die Nachbarn in ihren Gärten wandeln und ihre Blumen besorgen, die Kinder spielen, die Gesellschaften sich ergehen sah, die Kegelkugeln rollen und die Kegel fallen hörte, so erregte dies frühzeitig in mir ein Gefühl der Einsamkeit und einer daraus entspringenden Sehnsucht, das, dem von der Natur in mich gelegten Ernsten und Ahndungsvollen entsprechend, seinen Einfluß gar bald und in der Folge noch deutlicher zeigte."

Sehnsucht, Einsamkeit, sich an der untergehenden Sonne nicht satt sehen können.  Das sind wahrlich Eigenschaften eines Dichters. Aber mehr noch: die Nachbarn in ihren Gärten, also geselliges Leben jeglicher Art, von Kinderspielen bis Kegelkugeln,  erweckt in dem Jungen auch das Gefühl von Ausgeschlossensein. Maria fragte: "Warum geht er nicht einfach rüber und spielt mit?" Darauf wusste ich natürlich die richtige Antwort auch nicht, da Goethe sie nicht gibt; doch konnten wir uns beide gut in das Kind hineinversetzen: es durfte nicht. Der Vater erlaubte es nicht. Die Nachbarn gehörten womöglich zu einer anderen Bevölkerungsschicht, zu denen die Goethes keinen Zugang hatten. Deshalb hat der Vater wohl zulassen müssen, dass sein Hof klein blieb und kein Platz für einen Garten war.  Es entstand also in dem Jungen ein Gefühl von einer Unterlegenheit des Vaters gegenüber der Welt, und über das Gefühl durfte er vermutlich nicht sprechen. Er setzte es einerseits in eifriges Lernen um, andererseits später in das Verfassen von Theaterstücken. Als Dichter und Dramatiker erlangte er eine Berühmtheit, die alle Nachbarn in ihrem Schatten verschwinden ließ! Ob er das meint mit dem Einfluß "dem von der Natur in mich gelegten Ernsten und Ahndungsvollen entsprechend"? Maria fragte: "Was heißt Ahndungsvoll?" Genau wusste ich das auch nicht: ich übersetzte mit empfindsam, einfühlsam.

Tja, da müsste ich noch ein bisschen studieren, um diese Passage deutlicher zu verstehen. In den Goethe-Biografien, die ich bisher gelesen, ist mir eine Interpretation davon nicht erinnerlich. Als Frankfurterin würde ich aber bei einer Vertiefung einiges über Frankfurt erfahren ....

 

Frankfurt, 22. Juli

Im Mai und Juni arbeitete ich an einem Artikel über den "Brexit" für "kulturissimo", die monatliche Kulturbeilage des luxemburgischen "tageblatt". Der fertige Test erschien am 13. Juli, wie vorgesehen. Allerdings hatte die Redaktion eine geringfügige und doch schwer wiegende Änderung an meiner Fassung vorgenommen: sie hatte ein Zitat des altgriechischen Historikers Thukydides vom Ende  des Textes entfernt und es an den Anfang gestellt. Dadurch veränderte sich der Sinn des Ganzen.

Der antike Historiker hatte geschrieben: "Was aber tatsächlich geschah, erlaubte ich mir nicht nach Auskünften des ersten besten aufzuschreiben, auch nicht <nach meinem Dafürhalten>, sondern bin Selbsterlebtem und Nachrichten von andern mit aller ereichbaren Genauigkeit bis ins Einzelne nachgegangen. Mühsam war diese Forschung, weil die Zeugen der einzelnen Ereignisse nicht dasselbe über dasselbe aussagten, sondern je nach Gunst oder Gedächtnis."

(Thukdides 454 - 399 v.Chr, Wikipedia)

An den Anfang gestellt, erhebt das Zitat eine Forderung, die ich von vornherein nicht erfüllen kann und nicht erfüllen wollte. Ich habe mich auf eine ehrwürdige Zeitschrift und öffentliche Nachrichten gestützt, ich war weder im Vereinigten Königreich dafür, noch wenigstens in Brüssel. Wenn ich das Zitat dennoch ans Ende meiner Ausführungen gestellt habe, so wollte ich damit nur einem im Text erwähnten Brexit-Vertreter aus Großbritannien eine Antwort geben, der offensichtlich unter Geschichtsschreibung nur das eigene Rechthaben verstand und sich dennoch auf Thukydides berief. Besser, ich hätte das unterlassen.

Hier nun mein Artikel, ohne Thukydides:

 

BREXIT:


Frankfurt, den 18. Juni 2017

Gedanken und Fragen zum britischen EU-Austritt

von Barbara Höhfeld

In künftigen Geschichtsbüchern mögen die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (VK) über ihre Trennung ähnliche Bedeutung erhalten wie einst der Wiener Kongress oder der Westfälische Frieden: sie veränderten die politische Landschaft grundlegend. Heute und hier scheint es mir um die Frage zu gehen, ob sich ein Land, oder eine Gruppe von Ländern, einer Art von geschriebener Verfassung unterordnen  oder lieber unter der Willkür eines Souveräns leben möchte, sei der Souverän auch ein gewähltes Parlament. Es gibt Rechtsgrundsätze, die niemand, auch kein Parlament, auf Dauer missachten darf. Die Würde des Menschen, das Recht auf Familie gehören dazu, oder die Gleichheit vor dem Gesetz. Das gilt für das Vereinigte Königreich, das keine geschriebene Verfassung besitzt, ebenso wie für die EU, die sich, statt auf eine Verfassung, auf die EU-Verträge stützt. Die Auslegung dieser Verträge obliegt dem Europäischen Gerichtshof.

In der „London Review of Books“ (LRB), meinem Lieblingsblatt, las ich im März dieses Jahres einen Aufsatz über „Brexit and the Constitution“. Während ich mich zur Vorbereitung dieses meines eigenen Aufsatzes durch britische Webseiten à la „Leave.EU“ wühlte, bemerkte ich, dass dort der Europäische Gerichtshof  tatsächlich als der größte Feind Britanniens betrachtet wurde: mit „red tape“, das sind überflüssige bürokratische Vorschriften, wurde alles bezeichnet, was von dort kam. (Dass der „Europäische Gerichtshof für Menschenrechte“ oft in einem Atemzug genannt wurde, der ja zum Europarat und nicht zur EU gehört, weist auf das dürftige Faktenwissen mancher „Brexitists“ hin.) Der Aufsatz über „Brexit and the Constitution“ von George Letsas, Professor für Rechtsphilosophie in London, bezog sich auf einen Rechtsfall, der bis vor den Obersten Gerichtshof kam. Es ging darum, ob die Regierung einer Einzelperson Rechte entziehen darf, welche sich auf EU-Recht stützen („Miller judgement“). Nein, sagte das Gericht, das darf die Regierung nicht; das EU-Recht gilt. Das Gericht fuhr fort: Hierzulande (also im VK) stütze sich EU-Recht auf den Beitrittsvertrag von 1972; nur das souveräne Parlament könne diesen Vertrag (und seine Folgen) auflösen, nicht die Regierung.

George Letsas beklagt den Rückgriff des Gerichts auf den „archaischen Begriff“ der „Souveränität des Parlaments“, wo es doch in Wirklichkeit um die Wahrung von Rechtsgrundätzen gehe – das sind Prinzipien, auf denen Gesetze beruhen - , also hier um die Frage, ob die Rechte eines Einzelnen, auch wenn sie sich aus den zunächst von der EU beschlossenen Gesetzen ergeben, über Nacht aufgehoben werden dürfen. Da es im VK keine geschriebene Verfassung gibt, stützt sich das Rechtssystem traditionell auf Präzedenzfälle. Doch in den 44 Jahren seiner EU-Zugehörigkeit hat sich das VK viele Grundsätze aus dem europäischen Recht zu eigen gemacht: die Gerichte setzten bei ihren Beratungen die Gültigkeit von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs voraus. Sie „konstruierten einen eigenen Standpunkt darüber , wie die verschiedenen (binnenstaatlichen und supranationalen) Rechtsquellen auf kohärente und grundsatztreue Weise auszulegen waren, und wie man sie nach dem Gesichtspunkt der Gleichheit vor dem Gesetz anwenden sollte“, schreibt Prof. Letsas. Und das sei moderner „Konstitutionalismus“, habe nichts mehr mit einer „Souveränität“ des Parlaments zu tun, das beliebig Gesetze erlassen oder abschaffen könne. 

So lässt sich schon jetzt, da die Verhandlungen kaum begonnen haben, erkennen, dass der rechtliche Status der EU-Bürger im VK, wie auch der der VK-Bürger in der EU, zuallererst klargestellt werden muss.

Seit dem 29. März läuft die Zweijahresfrist, innerhalb welcher die Unendlichkeit aller Fragen zwischen dem VK und  dem übrigen Europa geklärt werden sollte. Wird das VK wenigstens im Binnenmarkt bleiben? Dazu gehört aber die Freizügigkeit, und gerade diese wurde durch das Referendum abgelehnt. Und wie wird das VK mit seiner Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland umgehen, die dann zur „Außengrenze“ wird? Wird die nordirische Sinn Fein endlich doch ihre Parlamentssitze in London einnehmen, die sie bislang boykottiert, weil die gewählten Abgeordneten keinen Eid auf die Königin ablegen wollen? Oder wird der irische Bürgerkrieg wieder aufflammen? De facto besitzt heute jeder Nordire zwei Pässe: einen britischen und einen irischen. Soll ihnen das streitig gemacht werden? Darf Spanien wirklich die Gelegenheit nutzen, um Gibraltar zurückzuerobern?

Wer hatte beim Referendum eigentlich ein Interesse am Austritt? Waren es nur die alten Fischer in ihren von der Jugend verlassenen Dörfern, die sich zu den Heringsschwärmen ihrer Jugend zurückträumten? Oder andere sogenannte sozial Benachteiligte?

In der LRB vom 18. Mai fand ich einen weiteren Aufsatz, der sich eben dieser Frage zuwandte. Prof. Alan Finlayson (er lehrt politische und soziale Theorie an der Universität von East-Anglia) hatte sich unter Brexit-Anhängern umgehört und Erstaunliches herausgefunden. Zunächst begegnete ihm auf Schritt und Tritt die Auffassung, dass angeblich niemand in die Zukunft sehen könne, dass daher solche, die etwas über Zukunft aussagen (z.B. zum Klimawandel), Lügner seien. Wer so rede, schreibt Finlayson, dem sei die Vergangenheit näher als die Zukunft; man suche vor allem Schuldige und wünsche Strafen. Religiös verortete Menschen hingegen unterstellten den „Remoaners“ (für „remainers“, bleiben; doch bedeutet „to moan“ auch „lamentieren“)  Ängste, die typisch für „Sünder und Ungläubige“ seien! Finlayson traf Datensammler, die  ihre Macht dadurch erringen, dass sie die Muster erkennen,  die sich aus einer Masse von Einzelentscheidungen herausschälen, und diese für ihre Geschäfte nutzen. (Auf Deutsch taucht in diesem Zusammenhang immer das Zauberwort „Algorithmen“ auf; doch Finlayson gebraucht es nicht ein einziges Mal.) Solche Leute, meint er, wollten verhindern, dass die Menschen etwas über sich selbst erfahren, vielmehr sollten sie selbst zu dem Ding werden, über das man etwas herausfinde. Finlayson zitiert einen der führenden Austrittsbefürworter, David Cummings, wonach Mitglieder dieser Kaste ein „transdisziplinarisches Denken“ lernen sollten, kombiniert  mit einem „cool Thukydidean courage to face reality“, d.h. lernen, die Realität mit dem Mut des Thukydides anzuerkennen, damit sie „Institutionen schaffen, die wie Immunsysteme funktionieren, so dass wir andern geschützt werden vor den Gefahren und Risiken der eigenen Dummheit und der anderer“. 

Finlayson zitiert ferner Arron Banks, einen weiteren der Leave-Millionäre, der eine „Anti-Politik-Ideologie“ vertritt, wie sie sich ebenfalls in der Trump-Regierung findet: danach sollen „Berufspolitiker“ verschwinden und ersetzt werden durch Leute aus der Wirtschaft wie „venture capitalists, start-up entrepreneurs and small business people“. Durch den Brexit  würde die Abschaffung von Datenschutzregeln erleichtert, so dass  Datenbesitzer endlich frei über ihr Eigentum schalten und walten könnten!

Auch Umwelt- und Verbraucherschutz taugen den Millionären nicht, weil sie beim Geldverdienen behindern.

Was halten dem die übrigen Europäer entgegen?

Sie ernannten einen Chefunterhändler, Michel Barnier, und zwar ernannte ihn die Kommission – auch der Rat ernannte jemanden, offenbar, so las ich in einer deutschen Zeitung, einen tüchtigen Beamten, während Barnier ein Top-Politiker ist. Junker war mal wieder schneller. Doch liest sich aus dieser Szene schon die größte Gefahr für die Union heraus: Uneinigkeit. Unter Leave.EU fand ich die Nachricht, in der mit  einem triumphierenden „0:1 für das Vereinigte Königreich!“ ein Urteil des Europäischen Gerichtshof kommentiert wurde, wonach die Regelungen über den Investorenschutz in einem Freihandelsvertrag nicht nur von allen  EU-Parlamenten, sondern auch von etwaigen Regionalparlamenten, 38 insgesamt,  bestätigt werden müssten. Achtunddreißig! jubelten die Brexitisten, das dauert ewig und kommt wahrscheinlich nicht mal durch. 

Im Mai hielt Barnier in Malta eine Rede vor der „Versammlung der Europaausschüsse der nationalen Parlamente“ (COSAC). Barnier appellierte als erste und oberste Voraussetzung an die 27 Mitgliedsstaaten, die Einigkeit zu bewahren. Ferner dürfte der normale Lauf der EU-Angelegenheiten nicht durch die Brexit-Verhandlungen verzögert werden. Europa müsse sich auch in den kommenden zwei Verhandlungsjahren weiter entwickeln können. Er appellierte an das VK, damit es, obwohl noch volles  Mitglied, in dieser Zeit keine Blockaden auslöse, um indirekt Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen, wie auch  jeder Europäer darauf zu achten habe, dass keine unloyale Konkurrenz entstehe. Zudem sei es Aufgabe der Parlamente, mit ihren Regierungen zusammen die Grundsätze festzulegen, nach denen die Verhandlungen angegangen werden sollten. Die Abgeordneten sollten ihren Wählern regelmäßig über die  Ziele und den Ablauf der Verhandlungen Bericht erstatten! Sich nicht davor scheuen, darüber auch mit jenen zu reden, die anderer Meinung sind. Transparenz sei gefordert, wir hätten nichts zu verbergen. Und für all jene, die die Anfänge nicht mehr miterlebt haben, zählte er noch einmal  die Errungenschaften des geeinten Europas auf: Jeder kann in der EU wohnen, studieren, arbeiten, wo er/sie will, (fast) ohne rechtliche Unterschiede, Firmen gründen, Häuser bauen. Jeder EU-Bürger profitiert vom Schutz  für Umwelt und  Verbraucher. Gemeinsam stehen wir ein für mehr Schutz vor Terrorismus, für bessere Lebens- und Wirtschaftsbedingungen in Afrika, gegen die Exzesse der Finanzindustrie, für den Aufbau unserer Unabhängigkeit bei der Energieversorgung und vieles mehr. Mit den Worten  „don't focus mainly on Brexit, focus on the 27!“ beendete er seinen Appell.

Geht es vielleicht, für das Vereinigte Königreich ebenso wie für die EU, bei den Verhandlungen um die Frage: bleiben wir rechtsstaatlich oder unterwerfen wir uns der Macht des Kapitals? Der „Nationalismus“ erscheint mir auf dieser Ebene nur noch wie ein Spielchen zur Ablenkung, zur Beschäftigung der auf Konsum reduzierten Bevölkerungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Frankfurt, 25. Juni

Zu meinem "Brexit"-Artikel muss ich ergänzen: "Grundrechte" haben in der Bundesrepublik Deutschland eine sehr bestimmte Bedeutung: sie gründen und beziehen sich auf die ersten zwanzig Artikel unseres Grundgesetzes. Diese dürfen niemals geändert werden. Das erfuhr ich, als ich Gelegenheit hatte, mit einem Juristen diese Fragen zu besprechen. Ich werde versuchen, auch in Zukunft die Brexit-Verhandlungen zu verfolgen, indem ich genauer auf die britischen Standpunkte schaue, die auf Englisch in England veröffentlicht werden.Und hoffe, bei der Gelegenheit dann und wann die Unterschiede der Wahrnehmung zwischen Insel und Kontinent herauszuarbeiten.

Eine andere Ergänzung drängt sich mir auf. Am 20. April erzählte ich von meinem Besuch in Dortmund, in einem psychiatrischen Krankenhaus, redete aber in Wirklichkeit von einer Nazi-Demo. Eine Freundin lag in der Psychiatrie, eine Schulkameradin, und ich hatte versucht, sie ein wenig aufzurichten, ihr Mut zur Eigenständigkeit zu machen. Es war eigentlich nicht so, dass sie nicht selbstständig entschied - nur traf sie ihre Entscheidungen so eigenartig, dass sie vollständig in Abhängigkeit geriet. Sie beschloss damals - das wird mir heute klar -, dass sie nur das essen würde, was ihr schmeckte, worauf sie Appetit hatte; das traf für die Krankenhauskost nicht zu. Nie. Mühsam trank sie ein wenig - am liebsten Wasser. So wurde sie schwächer und schwächer. Das Krankenhaus verabreichte ihr Infusionen - ja, sie wurde sogar auf die internistische Abteilung verlegt. Offenbar fand man heraus, dass sie völlig klar im Kopf, aber ihre Wirklichkeiten durchzusetzen entschlossen war, und dazu gehörte, nicht zu essen, was ihr nicht schmeckte. Lieber gar nichts. Als man sie mit Infusionen wieder aufgepäppelt hatte, wurde sie als gesund "entlassen", d.h. in ein Seniorenheim verlegt. Unser Kreis von Freundinnen fand mit einiger Mühe heraus, wo genau sie sich nun befand und nahm neuen Kontakt auf. Sie schien fröhlich und an der Welt interessiert. Eine Woche später jedoch hieß es, sie sei "nicht ansprechbar". Das Personal schien das normal zu finden. Man biete ihr Essen an - sie könne mittags sogar zwischen zwei Gerichten wählen! hieß es - doch sie verweigerte alles. Und in einem "Heim" kriegt man keine Infusionen mehr. Offenbar sieht sich das Heim nun als "Sterbebegleitung". Wer nicht isst, was auf den Tisch kommt, kriegt eben nichts. Ich hatte meine Freundin anfangs gefragt: "Willst du sterben?" und sie hatte mit einem kräftigen "Nein"! geantwortet. Nun trat mir am Telefon eine Welt entgegen, in der man zuschaut, wie jemand verhungert. Und denkt die Hungernde womöglich, dass sie mit ihrer Verweigerung die Welt bestrafe? Ich weiß die Antwort nicht. Alles läuft nach Vorschrift. Mein Freundin ignoriert die Vorschriften. Sie wird wohl in einem Gefühl von Widerstand sterben.

Frankfurt, 17. Juni

„Die ..... e.V. lebt für die Werte der Aufklärung: Toleranz, Vernunft und Gemeinwohl“ lese ich in einer Broschüre, die mir irgendwo in die Handtasche geraten ist.  Schöne Worte, die so banal sind, dass ich gewöhnlich nicht mehr darauf achte. Nicht nur alltäglich, auch von Mißbrauch geprägt empfinde ich sie: mit „Toleranz“ meinen die meisten Leute etwas, das von Gleichgültigkeit nicht zu unterscheiden ist;  Vernunft reicht vielen nicht übers Geldverdienen hinaus – und das „Gemeinwohl“? Umsonst arbeiten wird für die jüngeren Generationen „uncool“, also etwas, für das sie sich schämen zu müssen glauben. Arbeiten im Verein? Nur, wenn ich persönlich  davon einen greifbaren Vorteil habe!

Die letzten Tage habe ich damit verbracht, einen Artikel über den BREXIT für eine Kulturbeilage einer kleinen Luxemburger Tageszeitung zu schreiben. Anlass und Grundlage für meinen Text ist der Aufsatz eines englischen Verfassungsphilosophen, der sich mögliche Auswirkungen des Vertrages überlegt hat, mit dem die Briten aus der EU austreten wollen und der in den kommenden zwei Jahren ausgehandelt werden muss. Eine Verhandlung ohne Präzedenzfälle!

In England begann die rechtliche Auseinandersetzung mit der Frage, wer laut Artikel 50 des einschlägigen EU-Vertrages die Austrittserklärung an die EU schicken darf: die Regierung oder das Parlament? Die Regierung hat sie schließlich verfasst und abgeschickt, sie sich aber vorher vom Parlament bestätigen lassen. Das Parlament verzichtete auf eine Debatte.

George Letsas, der besagte Verfassungsphilosoph,  vertrat den Standpunkt, dass die Rechte, die jeder einzelne Bürger aufgrund der 44-jährigen Zugehörigkeit des Vereinigten Königreiches  (VK) zur EU besitzt, nicht durch einen Federstrich des Parlamentes ausgelöscht werden dürfen. Diese Gefahr besteht, weil der Oberste Gerichtshof des VK kürzlich befunden hatte, dass EU-Recht solange Bestand habe, wie das Parlament nicht den „act of 1972“, d.h. den EU-Beitrittsvertrag des VK von 1972, aufgehoben habe.  Letsas bestritt dem Parlament das Recht, beispielsweise einem in Großbritannien ansässigen EU-Bürger sein Aufenthaltsrecht über Nacht wegzunehmen. Es gehe hier um  Grundrechte!

Auf Englisch spricht der Autor von „the rule of law“. Im leo.org, dem Netzwörterbuch, fand ich „Rechtsgrundsatz“. Klingt gut und einleuchtend, dachte ich.

Gestern begegnete mir in einer Gewerkschaftszeitung das Wort „Grundrechte“, und ich klopfte mich an die Stirn: Natürlich, das ist gemeint! So oft habe ich das Wort schon gelesen oder gehört, und hatte doch nie darüber nachgedacht. Es sind Rechte, die dem Menschen von Geburt an zustehen.  Aber ist es das, was Letsas meint?

Das muss ich in den nächsten Tagen herausfinden. Mein Redaktionsschluss ist der 20. Juni. Ich weiß nur, dass die Übersetzung von juristischen Begriffen aus dem Englischen  ganz besonders schwierig ist, weil die Engländer halt jahrhundertelang ihre eigene Rechtsordnung entwickelt haben, mit anderen Verknüpfungen als die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, welche vielleicht enger mit den Traditionen des römischen Rechts verknüpft sind.

Die Austrittsverhandlungen stehen ebenfalls unter Zeitdruck: auch sie müssen in nur 24 Monaten die Begriffe schmieden, auf deren Grundlage wir auch künftig in Frieden neben oder mit einander leben können: Kontinentaleuropa und das Vereinigte Königreich von Großbritannien.  Wo das Parlament sich als Erbe der Krone betrachtet, als Erbe des  Königs. Der Souverän ist ein „König“. In anderen Demokratien ist der Souverän „das Volk“, und es gibt in diesem Volk keinen Einzelnen, der die Entscheidung trifft. Für vieles, unter anderm für  das Selbstbild der Einwohner, mag das jeweils eine Rolle spielen .... Vielleicht auch, um den Gang der Verhandlungen besser zu verstehen .....

 

Frankfurt, 6. Juni

In den letzten Tagen passierte es mir zweimal, dass ich mich über die Missachtung von Frauen ärgern musste. Es überraschte mich, wie selbstverständlich Männer (in der Öffentlichkeit) glaubten, in Machtfragen die Existenz von Frauen ignorieren zu können.

„Macht“ ist ein anderes Wort für Politik, oder besser gesagt, wer politische Ziele verfolgt, muss sich Machtpositionen verschaffen.

Gestern besuchte ich den Reformationsgottesdienst, der ab elf Uhr mitten in der Stadt auf dem Römerberg abgehalten wurde. Die Sonne schien, die Bänke und Stühle auf dem Platz waren alle gefüllt, viele Leute saßen am Rande in den Cafés oder auf den Treppenstufen des Rathauses. Auf der Bühne neben der Nicolaikirche sang ein Chor, der sich bemühte, ein gospel-ähnliches Lied darzubieten. Es folgte die Pfingsterzählung aus der Bibel („sie sprachen in Zungen“), darauf die Predigt. Der Bischof stützte diese nun keineswegs auf die in Frankfurt so selbstverständliche Vielsprachigkeit, nein, er hatte ein anderes Zitat ausgewählt, eine Geschichte, die Jesus erzählte, um seinen Jüngern zu sagen, dass Gott jeden einlädt. Ein Reicher lädt seinesgleichen zum Gastmahl ein, heißt es in der Geschichte, die Geladenen sagen aber im letzten Moment unter diversen Vorwänden  ab. Daraufhin schickt der Gastgeber „seine Knechte“ auf die Straße, um Bettler und Krüppel zu Tisch zu laden, und Jesus nennt diese Geste den Weg zur Seligkeit.

Der Bischof hielt sich sehr lange mit der Figur von den gedankenlosen Reichen auf – bis auf einen  - und die wahre Seligkeit bei den Armen, er redete darüber mit vielen Varianten. Nun weiß ich, dass auch Luther gern Gäste hatte, und sie gewiss nicht nach ihrem Geldbeutel aussuchte. Wer aber kochte? Wer deckte den Tisch und wusch das Geschirr? Luther war verheiratet mit Katharina von Bora, und nur ihrer wirtschaftenden Tüchtigkeit verdankte er, dass er ein großes Haus führen konnte, wo jeder Gast satt wurde. Warum werden die Luthers in diesem Jahr nicht als Ehepaar gefeiert, die gemeinsam die Reformation zustande gebracht haben? Genauso ärgerte mich aber das Thema der Predigt. Ich malte mir aus, wie der Bischof daheim in seiner Gelehrtenstube an Frankfurt, die Bankenstadt, gedacht und sich überlegt hatte, wie er diesen hochmütigen Bankern mal die Leviten lesen könnte. Wer saß aber auf dem Römerberg und hörte zu? Fromme bescheidene Christen, meist ältere, nahmen teil, hörten zu, feierten diesen besonderen Gottesdienst miteinander. Sie hätten verdient, dass der Bischof zu ihnen spricht und nicht zu den Bankern seiner Fantasie. Aufgebracht  ging ich vor Ende der Predigt davon.

Aufgebrachtsein ist der Wirklichkeit nicht nützlich, sofern man etwas daran  zum Besseren verändern will. Das war mir einige Tag davor bewusst geworden, als ich einem Gespräch über die Zukunft der Türkei beiwohnte. Die SPD hatte ins Parteihaus  zu diesem Forum eingeladen. Es sprachen Turgut Yüksel, Landtagsabgeordneter, und Dr. Rainer Herrmann von der FAZ – ein beeindruckender Experte für Nahostfragen, der mehr als ein Jahrzehnt in der Türkei gelebt hat. Die Türkei lag ihm am Herzen, kein Hauch von Hochmut tauchte in seinen Reden auf. Es war ein Vergnügen, ihm zuzuhören.

Warum aber war ich zuletzt so aufgebracht? An den Gesprächen nahmen nicht nur die beiden Hauptredner teil, sondern auch Gäste: kluge Deutschtürken vor allem, die sich in Geschichte auskannten und die Verhältnisse genau verfolgten. Es gab keine Überemotionalität, es wurde ruhig gesprochen. Aber ich spürte, wie der Ärger in mir aufstieg. Aus all den Reden ging nämlich eine Türkei hervor, die nur aus Männern bestand. Männer sprachen über die Politik von Männern, mit denen sie nicht einverstanden sind, oder die sie teilweise  verstanden, doch nicht billigten. Mir trat das Bild der als Mumie verkleideten Frau Erdogan vor das innere Auge.  Warum sagte der , der über kemalistische Geschichte sprach, nichts  davon, dass Kemal Atatürk 1923, bei der Einführung der Republik,  den Frauen gleiches Wahlrecht, gleiche Bildungsmöglichkeiten gegeben hatte?  Wo waren die Frauen? Als ich mich schließlich zu Wort meldete, kam ich nicht mehr dran. Nachher war ich froh darüber. Das Aufgebrachtsein hätte der Sache geschadet. Draußen traf ich zwei junge Frauen, fragte sie: warum spielen die Frauen in der Politik nicht mit? Warum bleiben sie stumm? Sie lächelten, und eine sagte: „Wir hören zu. Danach werden wir reden.“

Ich dankte und verabschiedete mich.

Aus einem Land kann nur etwas werden – in Frieden  und mit genug Versorgung – wenn die Frauen mitwirken. Wenn sie als Person und in allen Rollen respektiert  werden. Menschenrechte für alle eben. Die gleiche Bildung, die  gleichen Rechte.

 

Frankfurt, 1. Juni

Drei Nächte, vier Tage lang war ich unterwegs: auf einer Reise nach Maastricht und Umgebung.  Wer kennt Maastricht? Eine alte Stadt an der Maas – seltsamerweise hatte ich im voraus gar nicht an diesen Zusammenhang gedacht. Tatsächlich aber spielt der Fluss eine große Rolle im Stadtbild; er ist breit und wird außerhalb noch breiter: hinter hohen Dämmen dehnen sich die „Maas-Auen“ aus.  Sie lassen die Gefahren des Hochwassers ahnen. Die Stadt liegt in der Provinz Limburg, im südlichsten Zipfel der Niederlande; stellenweise bildet hier die Maas die Grenze zu Belgien. Aber bis zur deutschen Grenze sind es auch nur ca. 35 km. Auf dem Maastrichter Marktplatz stehen in Lebensgröße ein halbes Dutzend Karnevalsfiguren – zu Karneval, hörten wir, ist die Stadt drei Tage lang für alles andere geschlossen. Ja, Limburg sei katholisch, sagte mir jemand, und so läuft der rheinische Karneval einfach bis zur Maas weiter! (Oder umgekehrt von dort bis zum Rhein.)

Wenn ich mich nur beiläufig den historischen Besonderheiten des Ortes zugewendet habe, so lag das am Zweck meiner Reise: ich wollte an dem jährlichen Treffen der Vereinigung der ehemaligen europäischen Beamten teilnehmen, im Jargon: an den „Assises de l’AIACE“. Es ist ein internationaler Verein mit Präsident und Schatzmeister, selbstverständlich vielsprachig, die Sitzungen wurden in drei Sprachen gedolmetscht. Vielen Teilnehmern machte es nichts aus, zwischen Französisch, Englisch und Deutsch zu wechseln; ich hörte natürlich auch italienisch, niederländisch, finnisch, schwedisch, spanisch oder griechisch. Knapp 250 Personen waren insgesamt gekommen; in früheren Jahren waren es mehr, und das lag vermutlich daran,  dass viele Kollegen den Ort Maastricht nicht exotisch genug fanden, um sich auf diese relativ teure Reise zu machen (bequem auch: alle Fahrten ab Flughafen etc., alle Mahlzeiten und Ausflüge sind einbegriffen, wir brauchten uns um nichts zu kümmern). Der Original-Vertrag von Maastricht lag in einer Glasvitrine im Sitzungssaal aus.

1993 endgültig ratifiziert, gehört der Maastricht-Vertrag zu den jüngsten der großen Vertragswerke, auf die sich die Europäische Union stützt: unser Vortragsredner meinte, es sei der Euphorie der deutschen Wiedervereinigung  zu verdanken, dass er zustande kam.  An dem Vertrag lässt sich ermessen, wie sehr sich die Zeiten seitdem geändert haben. Heute tönt aus vielen Ecken der Zweifel und die Ablehnung gegen Europa. Mit dem Maastricht-Vertrag wurde aus der „Europäischen Gemeinschaft“ die „Europäische Union“ mit ihren drei Säulen: 1. den Gemeinschaftsverträgen, 2. der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, 3. der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz.

Der Vortragsredner, Carlo Trojan, ein ehemaliger Generalsekretär der Kommission, sprach unter der Überschrift „Wohin geht Europa?“ aus seinen Erfahrungen ebenso wie aus seinem Wissen, denn dieses ist Voraussetzung, um der europäischen Zukunft konstruktiv entgegenzusehen. Er forderte uns auf, unsere Kenntnisse an Jüngere weiterzugeben!

(Aber wie? Und an wen? Nach meiner Meinung muss die Grund-Konstruktion der Europäischen Union schon in der Grundschule gelehrt werden, zumindest aber im 5. und 6. Schuljahr. So wird ihre Bedeutsamkeit für alle plausibel, wenn auch erst später, möglicherweise.)

Trojan lobte „Kohls mutigen Schritt“, die D-Mark aufzugeben; doch sei man über die Währungsunion nicht hinausgekommen, es fehle an der politischen Union, es fehle an Instrumenten, was sich in den  Unsicherheiten der Währungsunion, vor allem an dem Mangel an wirtschaftlicher Koordinierung heute schmerzhaft bemerkbar mache. Als größte Probleme nannte er die Kluft zwischen Norden und Süden, den Terrorismus und seine Bekämpfung, aber auch die Jugendarbeitslosigkeit. Eine ganze Generation versinke in Hoffnungslosigkeit! Die Mitgliedsstaaten müssten sich auf feste Ziele festlegen. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament müsse die Bevölkerung mehr einbezogen werden.

Dazu will ich anmerken, dass Martin Schulz als Parlaments-Präsident (bis Januar 2017) grade das zustande gebracht hat: ihm ist zu verdanken, dass tatsächlich der Parteikandidat, der europaweit die meisten Stimmen erhielt, danach auch wirklich Kommissionspräsident wurde! Normalerweise und bis dahin bestimmten nämlich immer die Minister der Mitgliedsstaaten den Kommissionspräsidenten (ohne Rücksicht auf die Wahlen zum europäischen Parlament) und achteten darauf, dass dieser Präsident möglichst wenig eigene Meinungen vertrat (Beispiel: Barroso). Jean-Claude Junker  gehört - wie einst Jacques Delors - zu den ganz wenigen Kommissionspräsidenten, die der EU-Kommission von vornherein gegenüber dem Ministerrat einen eigenen politischen Stand verschafften.  Dadurch erhielt die Legislative mehr Bedeutung, und die Exekutive besteht nicht nur aus nationalen Regierungen, sondern verdankt sich auch den Stimmen des Volkes. Das reicht noch nicht, um sich wirklich „demokratisch“ zu nennen, ist aber Teil einer Entwicklung dahin.

Ein ständig gegenwärtiges Thema war in Maastricht der vorzubereitende Austritt Großbritanniens aus der EU, volkstümlich „Brexit“ genannt. In Großbritannien wird es am 8. Juni nochmal Wahlen geben, deren Ausgang im Moment als ungewiss angesehen wird.  Falls die Regierung wechselt, halte ich es nicht für völlig unmöglich, dass die Austrittsfrage noch einmal grundsätzlich zur Debatte steht. In dem Jahr, das seit dem Referendum vergangen ist, hat sich in Großbritannien selbst die vorherrschende  Meinung  verändert.  Die Verhandlungen zum Austritt werden in den vom Vertrag vorgesehenen  zwei Jahren nicht zu bewältigen sein, wenn man bedenkt, wie nur schon das britische Rechtssystem durch 40jährige Zugehörigkeit zur EU ein anderes geworden ist als es vorher war.  Es wird Verlängerungen geben, doch in der Zwischenzeit befinden sich europäische Staatsbürger – etwa die Briten, die in Brüssel arbeiten, oder die Europäer, die sich in Großbritannien niedergelassen haben – in großer Rechtsunsicherheit.  Was wird aus der Freizügigkeit, aus dem gleichen Recht für alle EU-Bürger, um nur ein Beispiel zu nennen?

Die vielfältigen Gespräche zwischen den alten Kollegen, im Bus oder beim Essen oder in den Kaffeepausen, wurden durch solche Fragen nur weiter angeheizt – und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt.

Es waren aufregende Tage.

 

 

Frankfurt, 16. Mai

Joachim Durrang schreibt Gedichte, jeden Tag, manchmal mehrere nacheinander. Seine Gedichte erscheinen einem erwachsenen Blick nicht verständlich, und das bedeutet nicht, dass Kinder sie leichter verstünden. Die Gedichte verflechten Worte zu Bildern, Bilder zu Assoziationen,  die Gedanken aufblitzen lassen. Einmal hörte ich Durrangs Gedichte rezitiert von Moritz Stöpel, und da erhielten sie Klarheit und Körperhaftigkeit.

Jüngst erschien ein Büchlein mit Gedichten von Joachim Durrang: „Der tätowierte Himmel“ hieß es, und wer darin liest, wird  es spüren, das Vorbeihuschende, das sich in Wirklichkeiten einhakt und von ihnen ein Stück mitnehmen lässt und dann doch wieder davonschwebt.

Vertiefe ich mich in die Gedichte, dann kommt es mir nach einer Weile so vor, als schaute ich einem Narren zu; in seinem mittelalterlichen Narrenkleid voller Schellen hüpft er grinsend durch die Straßen und bringt die Welt für einen Moment ins Gleichgewicht.  Ja, das ist es, was mir die Lektüre einflößt:  Balance.

"Der tätowierte Himmel" ist im Razamba-Verlag erschienen.

 

Ein solches Gefühl von Ausgeglichenheit stellt sich auch manchmal beim Lesen von Zeitungsartikeln oder Interviews ein. So ein Aufblitzen von Erkenntnis, das die ganze Landschaft in ein helles Licht taucht. Ich erlebte es neulich, als ich in der Ausgabe der Zeitschrift der "Kulturstiftung des Bundes" vom Frühjahr 2016 das Interview  mit Sasha Marianna Salzmann und Max Czollek über ihre jüdische Identität in Deutschland las. Anlass war die - damals noch bevorstehende - Veranstaltung eines Kongresses zu "zeitgenössischen jüdischen Positionen" im Mai 2016. Speziell in Berlin leben mehr und mehr jüdische  Mitbürger, die durchaus nicht alle religiös eingestellt sind. Die Frage lautete wie folgt: "In einem taz-Interview (Dez. 2015) erklärte sich Micha Brumlik den Rechtsruck in den jüdischen Gemeinden wie auch in Israel mit dem Zuzug jüdischer Einwanderer. Zwischen den jüdischen Gemeinden und den jungen Israelis in Deutschland gibt es wenig Berührungspunkte. Verläuft da eine Kluft entlang der alten Trennlinie Ost/West oder ist das vielmehr ein Generationenkonflikt?"

Frau Salzmann antwortet klug und eigenständig; sie fasst ihre Antwort auf die Frage so zusammen: "Es sind nicht einfach die russischen Juden versus Israelis oder deutsche Juden, es sind wir alle, die uns einspannen lassen in die divide-et-impera-Politik eines hegemonialen Diskurses."

Und Max Czollek "möchte hinzufügen, dass die narrativen und anderen Ressourcen, welche durch die beiden großen Einwanderungsbewegungen aus der ehemaligen Sowjetunion und Israel eingebracht worden sind, in der öffentlichen Positionierung jüdischer Gemeinden/Gemeinschaft in Deutschland noch gar nicht richtig aufgenommen oder eingebunden worden sind."

Ja, das las ich so gern, dass ich es hier weitergebe. Differenzierungen gegen Schubladendenken! Selbstverständlich wird der ganze Sachverhalt deutlicher, wenn man das Interview vollständig liest, und womöglich auch noch den bereits veröffentlichten Bericht über den Kongress selber.

Die Zeitschrift der Kulturstiftung des Bundes kann man kostenlos beziehen. Man braucht seinen Wunsch nur unter

www.kulturstiftung-bund.de/Magazinbestellung

mitzuteilen, mit Adresse natürlich, denn das Magazin kommt per Post. Ich finde, es lohnt sich.

 

 

 

 

 

Frankfurt, 14. Mai

Es ist Morgendämmerung: taghell und doch so unwirklich wie bei einer Sonnenfinsternis.  Das helle Maiengrün des Ahornbaumes vor dem Fenster regt sich in einer Brise.  Zwei Vögel fliegen als Paar über den Himmel, an dem sich schon wieder dunkle Wolken ballen. Unwetter wurden angesagt. Die Ringelblumenblüten zögern, sich zu öffnen. Die Nacht ist noch nicht vorbei.

Was ich vermisse, ist das Vogelkonzert. In früheren Jahren jubilierte und tirilierte es aus allen Himmelsrichtungen. Dieses Jahr hör ich allenfalls Spatzen tschilpen. Und wenn die Sonne aufgestiegen ist, höre ich das öde, fantasielose Gurren der Tauben. Mehr nicht. Gab es nicht mal Jahre, da sich regelmäßig eine Amsel auf dem Geländer meines Balkons niederließ und ein Konzert gab? In meiner Gegend höre ich keine Amseln mehr. Im Nordend, wo viele Grüne wohnen, schon eher, aber auch nicht so oft wie früher.

Es heißt, die Unkrautvertilgung der Bauern habe die Singvögel vertrieben. Es muss aber auch an den Städtern liegen. Ich wohne in einem 14stöckigen Haus mit vielen Familien, an die 70 Parteien sind wir, glaube ich. Wir vertragen uns recht gut, meistens. Wir haben hinter dem Haus eine Wiese, umrandet von Bäumen und Sträuchern; auch ein Spielplatz ist dort eingerichtet und wird immer wieder gern benutzt. Vor dem Haus erstrecken sich Beete mit Bäumen und Sträuchern, alles  gepflegt und gut beschnitten. Wir sind zufrieden mit unserem Hausmeister. Mir fällt aber auf, dass auf der Erde unter den Bäumen und Sträuchern nicht das mindeste wächst. Kein Halm, kein Blatt. Die Erde wirkt steril. Haben Unkrautvertilger hier ihr Werk vollbracht?

Ich versuche gelegentlich, mit anderen Hausbewohnern darüber zu sprechen. Das Vertrackte ist, dass sie die Singvögel nicht zu vermissen scheinen. Sie bemerken ihre Abwesenheit gar nicht. Es gibt also in ihren Augen gar kein Problem. Auch der Hausmeister meint, dass er alles richtig mache. Was soll ich tun? Ich würde so gern Meisen, Finken, Amseln hören. Aber sie sind verschwunden. Ich tröste mich manchmal damit, dass selbst die Spatzen inzwischen in ihrer Existenz bedroht sind; unser Haus bietet offenbar Spatzen eine Heimstätte, das ist doch auch schon ein bisschen Naturschutz. Nur dass Spatzen eben nicht singen, sondern bloß auf ihrer sehr beschränkten Tonleiter tschilpen. Wieso wirken sie dennoch lebendiger als die Tauben?

Darüber zumindest werde ich nachdenken. 

 

Frankfurt, 13. Mai

Marina d’Oro macht Fotos,  die keine Abbildungen sind, nicht in erster Linie, sondern  grafisch geordnete Bilder, die Gefühle vermitteln können.  Sie schenkte mir für 2017 einen Kalender  mit einem Foto für jeden Monat. So habe ich 30 Tage Zeit zum Hinschauen.

Der Kalender trägt den  Titel „China cloud“. Im Januar erkenne ich einen geometrisch abgegrenzten Haufen von welkem Laub, und im Februar einen gebeugten älteren Chinesen, der das Laub zusammenfegt. Stapel von handgefertigten Spankörben bilden auf diesem Foto die Senkrechte, das immer bedrohte Aufrechte. Die Körbe stehen auf einem Fahrradkarren, mit dem der Mann das zusammengefegte Laub vermutlich zum Komposthaufen transportieren wird. Vergänglichkeit und Trauen sprechen mich an. Der März wird rätselhaft, doch bleiben wir in der Natur von einem Park, der sich jedenfalls, gemessen an der Fülle eines Baumwipfels, in der gemäßigten Zone irgendwo auf dem Globus befindet. Im April tritt ein Baum auf, der Stamm eines Baumes, daneben  Steintisch, Steinsitze, eine Holzbank, alle nur angeschnitten, wie Zitate, die auf  irgend etwas anderes hindeuten.

Der Mai aber bringt mir eine neue Rätselhaftigkeit:  Der Baumstamm, angeschnitten, in Nahaufnahme, verwandelt sich in einen Vorhang  aus  geschmeidigem, wie durchscheinendem Stoff. Er bedeckt die Szene fast zu zwei Dritteln, und dahinter, in aller Unschärfe, erscheinen Figuren, die ich nicht definieren kann, die vielmehr jeden Tag beim Betrachten einen anderen Charakter annehmen – Figuren also, in denen ich meine eigenen Grotesken erkennen oder ahnen kann: Masken, Landschaften.  Immer wieder nehme ich Neues wahr.

Der halbe Mai ist noch nicht vorüber; und ich komme am Ende des Jahres vielleicht auf  den Kalender zurück. Marina d’Oro schreibt auch Gedichte; und in ihren Fotos verbinden sich auf erstaunliche Weise ihre beiden Künste: Das Gesehene und die Worte verschmelzen zu einem  Dritten, in einem Bild, das weniger ein Abbild denn ein Urbild wäre.

 

Frankfurt, 1. Mai

Nochmal: Römerberggespräche

Gewiss hatten die übrigen Vortragsredner auch Wissenswertes zu sagen. Ich lernte Artur Becker kennen, einen Dichter und Schriftsteller, von dem ich bis dahin noch nie gehört und den ich am Samstag auch nicht wirklich verstanden habe. Es fehlten mir die Voraussetzungen seines Denkens; dazu müsste ich wohl sein Buch „Kosmopolen“ lesen – ich werde es mir bei der Stadtbücherei ausleihen. Insoweit kann ich nur sagen: er wirkte sympathisch, er klang klug und freundlich. Ja, er strömte eine Bereitschaft zur Freundschaft aus. Bei Erasmus von Rotterdam lese ich: „Sieh, auf wie viele Weise lehrte die Natur die Eintracht? .......  Es kommt nicht allen das Gleiche zu, auch nicht gleich viel, auf dass diese Ungleichheit mit Freundschaften ausgeglichen wird.“ (Aus „Die Klage des Friedens“, bei Diogenes.) Um eine solche Bereitschaft zur Freundschaft ging es im Grunde den ganzen Tag beim Römerberggespräch. Um Wohlwollen statt Abweisung.

Wie die Abweisung gestaltet wird, das zeigte Volker Weiß in seinem Vortrag über „autoritäre Vorstellungen“. Er ist gründlicher Kenner des rechtsextremistischen Denkens oder seiner Behauptungen, die sich gegen die Demokratie, gegen die Republik richten,  für Personenkult und Rassismus usw. eintreten, ja, für einen neuerlichen Ständestaat!  Er liest die einschlägigen Veröffentlichungen, sie sind sein Forschungsgegenstand, und er verknüpft das Ermittelte mit der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Abschließend beklagte er, dass an den Unis die Kritische Theorie nicht mehr gelehrt werde und die Politikwissenschaftler nicht genügend Geschichte lernten.

Nach dem Ende der Vorträge geriet ich mit einem Altersgenossen ins Gespräch, der mit den „Fakten“ argumentierte, die er den Rechten oder den Populisten entgegenhalten wollte. Reicht denn das? fiel mir plötzlich ein, kann man „Fakten“ denn nicht so oder so darbieten? Wenn die FAZ in ihrem Feuilleton anscheinend objektiv bleibt, so stellt sie im politischen Kommentar der ersten Seite die Fakten oft in ein hetzerisches Licht. Mein Gesprächspartner nickte, und bei so viel Ermutigung fiel mir der Vergleich zwischen dem „halbvollen“ und dem „halbleeren“ Glas ein – beides ein Faktum und doch nicht dasselbe! Und ich dachte an die Überheblichkeit mancher Journalisten, wenn sie über Verhältnisse, sagen wir in Frankreich, herablassend reden, oder auch über jene, die sie abschätzig „Populisten“ nennen, und die sie damit schon verurteilen und mißachten. Meinen jene Leute, die das Wort „Lügenpresse“ in den Mund nehmen, vielleicht diese Verachtung, die ihnen und ihren Bedürfnissen und Sorgen zuteil wird? Oder verfallen sie mit dem Wort gar in einen Spott, den ihnen die andere Seite gar nicht zutraut? Hübl hatte von der  Notwendigkeit einer „sprachlichen Neugestaltung“ im Dialog gesprochen, und damit meinte er in keinster Weise, dass der progressive Standpunkt aufgegeben werden sollte. Er wünschte, dass eben dieser Standpunkt sprachlich neu gestaltet werden müsse.  Oder wie es Jan Werner Müller, ein weltweit bekannter Spezialist für Populismus, zum Schluss formulierte: „Wir brauchen mehr Selbstkritik.“

Geht es denn nicht immer wieder um die Erhaltung des Friedens? Wie schon vor 500 Jahren bei Erasmus?

 

 

 

 

 

Frankfurt, 30. April

Ohnmacht der Aufklärung   -    Römerberggespräch am 29. 4. 2017 im Frankfurter Schauspielhaus

 

Um 10 Uhr waren schon fast alle Plätze im Chagallsaal besetzt. Wer nicht früh genug aufgestanden war, musste im Treppenhaus bleiben, wohin aber alle Vorträge übertragen wurden. Ich schaffte es um zehn grade noch in den Saal.

„Die Ohnmacht der Aufklärung“, das war ein reißerischer Titel, denn seit wann geht es der „Aufklärung“ um Macht? Es geht doch um die Wahrheit! Dennoch wollte ich mir die Vorträge anhören, beim letzten Mal hatten sie mich sehr angeregt. Tatsächlich begann die Reihe mit der Frage nach “Wahrheit“ und ihrem mit „postfaktisch“ ins Gegenteil gedrehten Sinn. Also „Lüge“. Nun muss aber grad ein Lügner sehr genau die Wahrheit kennen, um gut lügen zu können. Philipp Hübl, ein Professor für theoretische Philosophie, versicherte uns, wir befänden uns noch immer im Zeitalter der Aufklärung und Vernunft, führte dann gleich einen dritten Begriff ein: er wird unter Philosophen  „bullshit“ genannt. Damit meint man Äußerungen von Menschen, die überhaupt nicht an Wahrheit oder Lüge interessiert sind, sondern einfach und mit Vergnügen Quatsch reden. Was ihnen grade in den Sinn kommt. Von solchen erhält jeder Wahrheitsjünger nur ein mitleidiges Lachen zur Antwort.

Hübl unterschied lieber zwischen „konservativem“ und „progressivem“ Denken. Er zählte zu den „Progressiven“ jene, denen an Fürsorge, Fairness und Freiheit gelegen ist, eine Denkweise, die man in der ganzen Welt antreffe, unabhängig von Ort oder Religion. Den „Konservativen“ hingegen liege vor allem an „Loyalität, Autorität, Reinheit“. Über Reinheit etwa werde energisch gestritten, so sei dort z.B. Homosexualität unrein; doch vermisste Hübl in den Debatten den Begriff „Ekel“. Ursprünglich schütze Ekel vor Gift und Keimen; die Konservativen setzen ihn aber auch moralisch-philosophisch ein („reines Blut“).  Konservative, sagt er, sind nicht neophil, d.h. sind nicht an Neuem interessiert, im Gegensatz zu den Progressiven, die gern was ausprobieren. „Wutbürger“ seien im Grunde „Ekelbürger“. Hübl sah den Bruch zwischen den beiden Denkweisen in  der Gesellschaft tendentiell eher zwischen Stadt und Land, Alt und Jung, weniger zwischen Arm und Reich.  Er meinte, Progressive denken nach, bevor sie reden, während „Konservative“ sich gern „intuitiv“ äußern.

Das hat mich gewundert, weil mir in meiner Lebenserfahrung das Spontane, das Gefühlte, das „aus-dem-Bauch-Kommende“ als Eigenschaft jener begegnete, die für Neues offen waren und nicht an den fixen Ideen der Alten klebten.  Doch das ist dreißig, vierzig Jahre her und seitdem haben die Konservativen hinzugelernt – sie stützen sich bei ihren Intuitionen auf alt-überlieferte Regeln, oder was sie dafür halten – eben auf Loyalität, Autorität, Reinheit. Nicht auf Mitgefühl, Gerechtigkeit,  Freiheit ....  Ein Gespräch zwischen beiden Gruppen hielt Hübl für möglich, vorausgesetzt, jeder gehe mit Herz auf den andern zu; vorausgesetzt, die analytisch denkenden Progressiven seien bereit, im Dialog nicht an bestimmten Begriffen hängen zu bleiben, sondern, wie er sagte, eine Emotionalisierung, eine „sprachliche Neugestaltung“ zuzulassen.

Vielleicht war Hübls Vortrag das Beste vom ganzen Tag, grade weil er schon selbst diese sprachliche Neugestaltung verwirklichte und ohne dabei Fürsorge, Fairness, Freiheit zu verraten. Er empfahl, bei Gesprächen mit Konservativen immer Gründe für die Meinungen einzufordern. Er bezog sich mehrmals auf sein Buch „Der Untergrund des Denkens“, in dem er sich ausführlich über den Einfluss von Unbewusstem, von Emotionalem auf das Denken befasst. Im Mai wird der HR 2 eine Zusammenfassung des Tages senden. Alf Mentzer vom HR moderierte den Tag – bei einer Stunde Mittagspause gingen die Gespräche von morgens zehn bis nach 17 Uhr. Thea Dorn aus Berlin beglückwünschte das Frankfurter Publikum für  seine Ausdauer! Ja, und ohne Alf Mentzer mit seinen gründlichen Kenntnissen und klaren Überleitungen, mit seiner selbstverständlichen Begeisterung hielten vermutlich auch nicht alle so lange durch.

Immer wieder tauchte auch der Begriff des Populismus auf,  in den verschiedensten Bedeutungen, ohne dass sie definiert wurden. Unruhe schaffte der "linke Populismus", dessen Vorhandensein man widerwillig eingestehen musste. Wie peinlich er tatsächlich ist, wurde mir am Abend klar, als ich von der SPD eine Email vorfand, die eine "virtuelle Menschenkette" propagierte. Etwas, das nur im Internet stattfindet, mit einem Klick, und alles Leibliche, Persönliche -  zu einer bestimmten Zeit rausgehen, einen warmen Mantel anziehen, weil es kalt werden kann, zwei, drei Stunden einplanen usw. - entfällt. Ich las:

 "Mach ein Foto von Dir mit angehobenen Armen (Hochkant mit den Händen am Bildrand).

Poste es mit dem Hashtag #GEMEINSAMGERECHT öffentlich in Deinen sozialen Netzwerken.

Schon bist Du Teil der virtuellen Menschenkette für Gerechtigkeit auf SPD.DE."

 

Werd ich nun wirklich alt, dass ich eine so grässliche Aufforderung erhalte? Und was meinen sie überhaupt mit "hochkant"? Welche Kante ist gemeint - der Bildrand, die Handkante? Glücklicherweise habe ich keine "sozialen Netzwerke".

 

 

Frankfurt, 29. April

Hoffnungsvoll stellen die Wirte ihre Tische nach draußen, denn die Sonne scheint - sie scheint sehr oft und malt ein wundervolles Frühlingsbild, wenn man durchs Fenster schaut. Doch niemand will sich an die Tische setzen, denn es ist kalt, lausekalt, die Wetteransager sprechen von "Polarluft". Auf den Wetterkarten sieht man, dass es noch an vielen andern Orten regelrecht friert - aber nicht hier in Frankfurt. Hier geht alles seinen fleißigen Gang. Es wird gebaut, überall in der Stadt; besonders an Bahngleisen entstehen prächtige achtstöckige Wohnhäuser. Das kommt daher, dass die Bahn viel offenes Terrain neben den Gleisanlagen besitzt; es war zum Schutz der Bahndämme und der Anwohner gedacht. Heute werden die Fenster dreiglasig ausgestattet, und das gilt als Lärmschutz; ich denke, dass viele der erfolgreichen jungen Eltern durch frühen Diskobesuch eh nicht mehr gut hören und sie darum gern in die hellen, schön geschnittenen Wohnungen einziehen.....

Neulich hörte ich einen Vortrag über Gutle Rothschild. Das war die Ehefrau von Amschel Meir Rothschild, dem Begründer der heutigen Dynastie; Gutle gebar nicht nur 19 Kinder, von denen 10 erwachsen wurden; sie wurde auch 96 Jahre alt. Das ganz Besondere an ihr aber war: sie blieb bis zum letzten Tag in ihrem Haus in der Judengasse wohnen. Ihre Nachkommen hatten sich an vielen Stellen Europas Paläste gebaut; manche liebten und besaßen  große Gärten - Gutle blieb hartnäckig in ihren eigenen vier Wänden. Sie wurde 1753 geboren; damals war die Judengasse noch ein Ghetto, abends verschlossen; für den Alltag galt jüdisches Recht. Amschel war Münzhändler und gerade auch "Hoffaktor" bei einem Fürsten geworden, als sie  1770 heirateten, und sie wohnten zusammen mit seinem Bruder  16 Jahre lang in großer Enge, ehe sie sich ein eigenes Haus leisten konnten. (Es war, von außen betrachtet, nur ein halbes Haus, doch so war die Judnegasse konstruiert: in größter Enge.) In Gutles Ehevertrag stand schon, was die Rothschilds 200 Jahre lang durchhielten: die Frauen mischen sich nicht ins Geschäft. Die Frauen sind zuständig für Familie und Repräsentation. Vermutlich kannte sich Gutle dennoch im Geschäft aus, denn ihr Mann war ja oft auf Reisen, da wird sie schon nach dem Rechten gesehen haben. Es gibt fast keine schriftlichen Zeugnisse über sie. Nur die Kopie eines prächtigen Gemäldes der alten Frau, von Oppenheimer gemalt, der die ganze Familie abkonterfeite. Sie sitzt würdig und selbstbewusst am Tisch, vor sich die Zeitung; gekleidet ist sie mit kostbarer und doch einfacher Eleganz. Der Maler lässt die Betrachter aus dem Fenster auf die Gasse schauen, es ist Sabbat, die Leute sind feiertäglich gekleidet, die Synagoge wird gleich öffnen, ein paar Männer warten schon.

Seit 1806 war das Ghetto abgeschafft, die meisten Bewohner der Gasse zogen hinaus, und die Gasse verfiel nach und nach. 1811 starb Amschel. Gutle erhielt sein ganzes Privatvermögen und das Haus. Sie starb 1849, viel betrauert. Sie erhielt oft Besuch, zum Beispiel beschrieb Hans Christian Andersen eine vornehme Kutsche mit blauseidenen Kissen und livrierten Bediensten.

In London lebt eine Frau, die sich vorgenommen hat, Gutles Biografie zu schreiben. Sie wird alle Archive durchwühlen ...

 

 

Frankfurt, 20. April

Die Sonne scheint verführerisch, doch ist es draußen lausig kalt. Ein seltsames Wetter, weil nicht mal aprilmäßig. Im Fernsehen sah ich, dass Plantagen blühender Kirschbäume gestern eilig mit Planen überzogen wurden; ja, in einem andern Fall wurden die Bäume mit Wasser besprüht, damit bei Nachtfrost alles überfriert und so - erhalten bleibt!

Ich erlebe derzeit so viel, dass ich es nicht schnell genug ordnen kann, um es hier aufzuschreiben. Am nächsten Tag passiert schon was Neues. Ich war letzte Woche in Dortmund und hörte das Geschrei und Gezeter von einer Nazi-Demo - die Fahnen flatterten im Wind. Es waren schwarz-weiß-rote Fahnen, horinzontal gestreift. Ich fragte einen der davor wachenden Polizisten, ob es selbstverständlich sei, dass solche Fahnen öffentlich wehen dürften; lächelnd antwortete er: "Was meinen Sie mit selbstverständlich? Ob es verboten ist?" Ich nickte. "Nein, es ist nicht verboten. Darum können wir auch nichts dagegen tun." Und zuversichtlich: "Das muss eine Demokratie aushalten!"  Nein, die Nazis spielten in Dortmund keine große Rolle, es gebe ein paar Stellen, an denen sie aufträten, aber insgesamt wäre Dortmund kein Nazigebiet, auch wenn die Presse das manchmal anders darstelle. Ich verstand, und in den zwei Tagen meines Aufenthalts fand ich das auch bestätigt.

Als ich das Geschrei von der Demo hörte, kam ich gerade von einem Besuch in einem psychiatrischen Krankenhaus und hatte den Sinn nicht dafür, mir diese Demo näher anzusehen. Ich glaube, es waren nicht sehr viele Teilnehmer, nur sehr laute Lautsprecher. Im Krankenhaus hatte ich eine Schulfreundin besucht; ihr ging es den Umständen entsprechend gar nicht mal so schlecht. Sie wurde gut versorgt, und sie hatte eine Zimmergenossin, die mir sagte: "Wir zwei sind ein gutes Team!" und meine Freundin widersprach nicht. Ich glaubte der Frau, die mir vorher schon, draußen auf dem Flur, von ihrer jahrzehntelangen psychiatrischen Erfahrung berichtet hatte, fröhlich, selbstbewusst. Meine Freundin war zum erstenmal dort und wusste noch nicht recht, was sie dort sollte. Näheres konnte ich auch nicht erfahren, denn dem Personal ist der Datenschutz heilig, man sagt NICHTS. Aber meine Freundin freute sich über meinen Besuch, das war das wichtigste. Wir sprachen hauptsächlich von früheren Zeiten. Ich erzählte auch von einem Buch, das ich zur Zeit lese und aus dem ich einiges lerne: "Vernunft und Offenbarung", eine Essay-Sammlung von Micha Brumlik. Meine Freundin definierte mir "Offenbarung" als ein Erlebnis, aus dem man neue Erkenntnis gewinnt, etwas Unerwartetes, dem man sofort Glauben schenkt. Ja, sagte ich, das geht auch, aber die Theologen (und Philosophen) verstehen unter Offenbarung etwas, das schon stattgefunden hat, das Regeln, Vorschriften hinterlassen hat, an die sich die Leute halten sollen. Das bedeutet es bei Brumlik. Indem er von "Vernunft und Offenbarung" spricht (und nicht "oder" sagt, sondern "und"), eröffnet er beide Möglichkeiten: einerseits die, seiner Vernunft zu folgen, selber zu denken, selber Entscheidungen zu treffen, und andererseits die: einfach den Regeln zu folgen, zu tun, was man gesagt kriegt. Es steht jedem frei, sich jeweils für das Eine oder das Andere zu entscheiden.

So redeten wir, und ich hoffte, ihr dabei auch Trost zu spenden. Mir jedenfalls gibt diese Aussicht Trost: In jedem Moment herausfinden können, ob ich mich lieber an die Regeln halte oder mir lieber einen eigenen Weg ausklamüsere.

Wobei "ausklamüsern" vielleicht ein Dortmunder Wort ist? Ich bin ja dort aufgewachsen, es gab damals  in Dortmund eine eigene Sprache, zumindest ein gewisses eigenes Vokabular.

 

 

 

Frankfurt, 8. April

Wer weiß, was eine "Zwille" ist? Das Wort bezeichnet eine handgroße Astgabel, die aus einem Aststück hervorgeht, welches man sicher und bequem in der Hand halten kann. An den beiden Enden der Gabel befestigt man ein Gummi, und nun kann der geschickte Junge Steinchen schießen. Alte Männer berichten begeistert, wie sie, auf dem Lande groß geworden, als Jungen damit Spatzen und Ratten schossen, von den Erwachsenen gebilligt, die im übrigen das Schießen anderer Vögel oder von Eidechsen verboten.

Gestern Abend wurde hier in Frankfurt, in der Klosterpresse, eine Ausstellung von afrikanischen Zwillen eröffnet. Überwiegend sind es Fotos, die der Sammler kunstvoll selber gemacht hat. Jo Mayer heißt der Sammler; ich lernte ihn vor ein paar Jahren als Leiter des "Wildgartens" kennen, eines Abenteuerspielplatzes für 6-12jährige im Stadtteil Sachsenhausen, wo ich wohne. Zur Eröffnung sprach ein ehemaliger Direktor des "Museums der Weltkulturen" und berichtete Erstaunliches: erst durch Hinweise von Jo Mayer war er überhaupt auf die Idee gekommen, sich bei seinen Besuchen in Afrika nach "Zwillen" zu erkundigen. Anscheinend hatte noch kein Forscher und auch kaum ein Kunsthändler diese Gegestände zuvor wahrgenommen; es gibt keine schriftlichen Spuren. Und doch sind sie da, humorvoll geschnitzt, in poliertem Holz, freundlich und keine wie die andere. Immer bilden menschliche Figuren das Vorbild. Bei den meisten dienen die Beine als "Astgabel", bei manchen aber auch die Arme. Jo Mayer gelang es beim Sammeln, manche noch mit Gummi zu erhalten. Gewöhnliche Kunstsammler entfernen nämlich das Gummi, stecken die Figur auf einen Sockel und machen so ein "Kunstwerk" daraus. Der eigentliche Zweck geht verloren. Anscheinend benutzen nur jugendliche Hirten solche Zwillen, stellen sie auch her. Aus der Rede des Ethnologen schloss ich, dass er früher nur nach Werken von "Erwachsenen" zu forschen pflegte und ihm die Zwillen so entgangen sind.

Es gibt einen Katalog. Die Ausstellung ist noch bis 14. April geöffnet.